Herman Friedrich

Seeunfall der Brigg "Hermann Friedrich"

  1. Wodurch das Feuer, welches auf der Reise von Wilmington nach Bremen im November 1884 im Raum der Brigg "Hermann Friedrich" um Ausbruch kam und nicht nur einen bedeutenden Theil der aus Baumwolle bestehenden Ladung beschädigte, sondern auch für das Schiff selbst erhebliche Beschädigungen zur Folge hatte, verursacht ist, hat durch die Untersuchung nicht bis zur Gewißheit festgestellt werden können. Das Seeamt nimmt jedoch als wahrscheinlich an, daß es durch Selbstentzündungs der naß gewordenen Ladung entstanden ist.


  2. Wie nicht zu bezweifeln, ist die Brigg im August oder September 1885 auf der Reise von Liverpool nach Wilmington gänzlich verloren gegangen und hat dabei die gesamte Besatzung den Tod in den Wellen gefunden. Ueber die Ursachen und näheren Umstände dieses Unfalls hat sich nichts ermitteln lassen; als unwahrschleinlich muß es jedoch bezeichnet werden, daß derselbe durch Mängel an der Seetüchtigkeit des Schiffes herbeigeführt ist.




  1. In der heutigen Hauptverhandlung ist nachstehendes thatsächlich festgestellt:
    1. Am 26. Oktober 1884 versegelte die vom Schiffer Friedrich Niejahr aus Daendorf geführte Rostocker Brigg "Hermann Friedrich", Unterscheidungssignal MCDW, ein in den Jahren 1864/65 hierselbst aus Eichenholz erbautes, zu 815,4 cbm = 287,83 britischen Register Tons Netto-Raumgehalt vermessenes Schiff, mit einer aus 1044 Ballen bestehenden, nach Bremen bestimmten Ladung Baumwolle, aus Wilmington. Gleich in den ersten Tagen des November ward das Wetter schlecht, schwere Stürme, meist aus West und Süd, begleiteten die Reise, und die Brigg, welche fast ununterbrochen mit kolossalem Seegang zu kämpfen hatte, begann mehr Wasser zu machen.

      Am 13. November wüthete ein Orkan, verschiedene Segel wurden fortgerissen und das Schiff lag fast auf der Seite. Am 18. November löste sich die Aufklotzung des Ruders, es gelang jedoch, das letztere wieder nothdürftig zu befestigen, und am 29. November Morgens 2 Uhr kam Lizard-Feuer in OzS in Sicht. Um jene Zeit bemerkte man einen brandigen Geruch und sowohl in der Cajüte wie mittschiffs Rauch, welcher mehr und mehr zunahm. Da Schiffer Niejahr erkannte, daß die Ladung in Brand gerathen sein müsse, beschloß er, nach Falmouth einzulaufen. Anker und Ketten wurden klar gemacht und das an Steuerbordseite bei der Großluke sehr heiße Deck fortwährend naß gehalten.

      Nachdem Vormittags 9 Uhr ein Lootse an Bord gekommen war, gelangte die Brigg Mittags 12 Uhr im Tau eines (VII.3) Schleppdampfers in den Binnenhafen von Falmouth, wo sie Anker warf. Der Schiffer machte sofort dem deutschen Consul Meldung und dieser entsandte noch selbigen Tages eine Sachverständigen-Commission, welche alsbald die erforderlichen Anordnungen traf, um das Feuer zu löschen. Zunächst ward von einem längsseit gelegten Dampfer aus durch ein in das Deck der Brigg gebohrtes Loch eine Stunde lang Dampf in deren Raum gepumpt. Dann öffnete man die Großluke und riß einige Ballen Baumwolle heraus, mußte dieselbe aber, weil sich noch viel Feuer in der Ladung zeigte, bald wieder schließen und setzte nun das Einpumpen von Dampf weitere 2 Stunden fort.

      Als auch jetzt das Feuer nicht bewältigt war, schlug man ein Loch in das Deck an Steuerbordseite und pumpte bis zum 30. November Morgens 3 Uhr Wasser in den Raum. Aber auch damit erzielte man keinen Erfolg und erst gegen 1 Uhr Mittags, bis zu welchem Zeitpunkt man unablässig Dampf und Wasser eingepumpt hatte, wurde man des Feuers herr, welches nur noch in den unteren Lagen fortbrannte und am 1. Dezember ganz erstickt ward. Man schleppte nun das Schiff in den Tide-Hafen, wo man den Rest der vom Feuer ergriffenen Ladung löschte. Es waren im Ganzen theils durch den Brand, theils durch Wasser beschädigt 225 Ballen Baumwolle, welche bei Seite gesetzt und demnächst für Rechnung der Interessenten meistbietend verkauft wurden. Auch das Schiff selbst hatte schwere Beschädigungen davongetragen.

      4 Decksbalken, 2 Oberhölzer, diverse Klampen, 6 Striche Garnirung, Vorder- und Hinterbalken der Großluke, das Leibholz und 21 LängenDecksplanken waren stark verbrannt, auch hatten verschiedene Längen - Decksbalken beim Löschen des Feuers ausgebrochen werden müssen.Die Sachverständigen-Commission sprach sich dahin aus, daß das Feuer durch Selbstentzündung entstanden sei, und empfahl, in Falmouth nur dienothwendigsten Reparaturen zu beschaffen und sodann die Brigg durch einen starken Schleppdampfer in den Bestimmungshafen bugsiren zu lassen. Diesen Rath hat Schiffer Niejahr befolgt, und am 20. Dezember 1884 ist das Schiff glücklich mit dem Rest seiner Ladung in Bremerhaven eingetroffen.


    2. Am 1. August 1885 ist die Brigg von Liverpool aus nach Wilmington in See gegangen. Sie ist dort nicht eingetroffen und seit ihrem Abgangaus Liverpool ist ihre Rhederei ohne jede Nachricht von ihr geblieben. Auch ein Aufruf, welchen das Seeamt unter dem 9. Februar 1886 in der Hamburger Börsenhalle und der Rostocker Zeitung erließ und in welchem um Mittheilungen über den Verbleib von Schiff und Besatzung gebeten ward, hat sich erfolglos erwiesen.


    3. Die Brigg war beim Germanischen Lloyd classificirt und erhielt dort, nachdem sie in Stettin nach Bedarf reparirt worden, im Februar 1882 dieClasse A.1. auf 4 Jahre. Sie ist sodann im September 1883 zu Wilmington vom Kiel bis zum Schanddeck kalfatert und schließlich im Winter 1884/85 zu Bremerhaven unter Aufsicht des dortigen Experten des Germanischen Lloyd gezimmert worden.


  2. Nach den thatsächlichen Feststellungen in ratio I hat die Brigg


    • auf ihrer Reise von Wilmington nach Falmouth bei dem herrschenden schlechten Wetter, den schweren Stürmen und den wild durcheinanderlaufenden gewaltigen Seen furchtbar gearbeitet, wofür auch der Umstand spricht, daß sich die Aufklotzung des Ruders löste. Dabei hat sie viel Wasser gemacht, welches, da das Schiff meistens stark nach einer Seite überlag, nicht abgepumpt werden konnte. Infolge dessen muß nothwendig die Ladung feucht geworden sein, und es ist eine bekannte Thatsache, daß naß gewordene Baumwolle leicht in Brand geräth. Das Seeamt nimmt daher in Uebereinstimmung mit der Sachverständigen-Commission in Falmouth an, daß das Feuer im Raume der Brigg durch Selbstentzündung der Ladung entstanden ist. Eine absichtliche Inbrandsetzung der letzteren ist in keiner Weise indicirt und ebensowenig hat die Untersuchung irgendwelche Momente ergeben, aus denen auf fahrlässige Erregung des Feuers zu schließen wäre.

      Das Leckspringen der Brigg erklärt sich hinlänglich aus deren lange andauernden schweren Arbeiten, und da dieselbe erst etwa ein Jahr vorhergründlich kalfatert wurde, auch noch eine gute Classe bei dem Germanischen Lloyd hatte, so kann nicht angenommen werden, daß mangelnde Seetüchtigkeit derselben zu dem Eintritt des Lecks mit beigetragen habe, weshalb denn auch dem Schiffer ein Verschulden an den Folgen des Leckspringens nicht beizumessen war.


    • Seit die Brigg am 1. August 1885 aus Liverpool versegelte sind inzwischen über 9 Monate verflossen, und da in diesem langen Zeitraum keinerlei Nachrichten über dieselbe und deren Besatzung an die Rhederei gelangt, auch dem Seeamt auf dessen Aufruf keine Mittheilungen in dieser Beziehung zugegangen sind, so kann man sich der betrübenden Gewißheit nicht verschließen, daß die Brigg total verloren gegangen istund die gesamte Besatzung dabei den Tod in den Wellen gefunden hat. Wodurch der Verlust des Schiffes herbeigeführt wurde, ob dasselbeLeck gesprungen und gesunken, ob es gestrandet und von der See zerschlagen, oder ob es von einem anderen Schiffe in den Grund gebohrt worden, darüber hat nichts festgestellt werden können, da von der Besatzung Niemand übriggeblieben ist, um über die Einzelheiten des Unfalls Auskunft zu geben. Daß aber mangelnde Seetüchtigkeit der Brigg bei Beginn der Reise zu dem Eintritt desselben mit beigetragen habe, hat das Seeamt im Hinblick auf die erst im Winter 1884/85 zu Bremerhaven unter Aufsicht eines Experten des Germanischen Lloyd ausgeführte Zimmerung als unwahrscheinlich bezeichnen dürfen.


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