Brief_an_Schiffer_1

An
die Schiffer = Ältesten,
den Herrn Schiffskapitain Reimer Niemann, und
den Herrn Schiffskapitain Christopher Maaß,
zu
Kirchdorf auf Fischland
Meine hochgeschätzten Herren!

Wenn Sie den Namen unter diesen Zeilen lesen, so werden Sie sich wohl noch erinnern, daß ich einst fungierender, gewagter Beamter, des dortigen Amtes gewesen bin, kennen die Schiffskapitaine ihre Beamte, und diese die Schiffskapitaine wenig, oft gar nicht, weil der letzteren Beruf sie ja fast immer von Hause entfernt.
Es sind gerade = 25 Jahre her, als ich aus meiner dortigen Stellung, als erster Beamter nach dem Amte Stafenhagen versetzt wurde, gerade zu der Zeit, als der Sitz des Amtes von Hirschburg in die Stadt Ribnitz verlegt wurde. Ich habe eine recht schwere Dienstzeit beim dortigen Amte verlebt, stand etwa 8 Jahre allein mit dem weiland Geheimen Amtsrat Klotz, der wegen Kränklichkeit und ochonderie, zuerst wenig, zuletzt gar nicht arbeitete, wodurch eine schwere Last auf meine Schultern gewälzt wurde, da ich nur einen Amtsauditor zur Aßistenz hatte, und wie ich demnächst Hülfe erhielt durch den weiland Kanzleyrath von Restorf, als dritten Beamten, so traten zwischen demselben und mir so unglückliche collegialische Verhältnisse ein, daß ich um meine Versetzung bath, wäre sonst von dort nicht geschieden und wäre ich dort geblieben so wäre der Sitz des Amtes auch in Hirschburg belaßen und nicht nach Ribnitz verlegt worden.
Von den vier Ämtern, Goldberg - Plau, Ribnitz und Stavenhagen, bei denen ich angestellt gewesen, ist das Amt Ribnitz und seine Einwohner, das liebste gewesen, und vorzügliches Intereße habe ich gewonnen für Fischland und seine Bewohner, namentlich für die Seeleute. Deren eigenthümliche Lebensweise und Beruf, deren großer Einfluß auf die Wohlfahrt unseres Vaterlandes, den ich oft und mit Erfolg gepriesen und hervorgehoben habe in meinen Vorträgen an die höchsten Behörden des Landes, erzeugten dies mein Intereße und bin ich mit meinen Gedanken noch viel auf Fischland und bei diesen Bewohnern.
Um mein Andenken bey denselben und namentlich bei den Seeleuten zu erneuern, zu beleben um für lange Zeit zu erhalten habe ich in Böhmen einen schönen Humpen, vom beßten Crystall mit paßender Inschrift, darunter mein Familien=Wappen und paßenden Emblemen anfertigen lassen den ich den Seemännern des Fischlandes, und besonders den Herren Schiffskapitainen zu meinem Andenken übersende und schenke, und Ihnen beiden meine Herren, als die würdigen Ältesten der Schiffer addreßirn, mit der Bitte solchen den sämtlichen Herren Schiffskapitainen des Fischlandes zu Kirchdorf, Althagen Dierhagen und Daendorf die nun wohl alle, in so fern sie keine Winterreise machen, zurückgekehrt sein werden, nebst dem beigesenden Anschreiben, und den untenangelegten Bestimmungen, nebst meinem herzlichsten Gruß zu übergeben mit der Bitte ihn so freundlich von mir anzunehmen als ich herzlich Ihnen denselben darreiche, und aufzubewahren zu meinem Andenken, hoffe ich deßelben nicht unwürdig zu seyn, habe ich mit Fleiß und Eifer für das Wohl und Beßte der Bewohner des Fischlandes gearbeitet und erstrebt. Um dies nachzuweisen, nicht um aufwendig zu sein, sondern um meine Bitte um Andenken zu begründen und zu rechtfertigen, bemerke ich, daß

  1. ich es war, der es nach. langem Kampf glücklich erreichte, daß, das Monitum betreffend die nach ein und während 10 Jahren nicht erhobenen außerordentlich= liche Contribution der Schiffer und Matrosen, niedergeschlagen und aboliert wurde. Ein Jahr nach meinem Dienst-antritt daselbst ward es plötzlich von der Kriegtur-Commißion in Rostock bemerkt, daß von Anfang der außerordentlichen Contribution an, mithin während 10 Jahren, solche gar nicht erhoben war, und ward nun nachbezaht begehrt. Der Gegenstand dieser Monitur würde zwi-schen 20000 bis 30000 Thaler betragen haben. Unmöglich war es diese Summe aufzutreiben, unmöglich die Zahlungspflichtigen zu ermitteln, die Schiffer wohl, nicht aber die uebrigen der Schiffsbesatzung. Alle Gegenvorstellungen halfen nichts, und gelang es mir nach langer Zeit diese Angelegenheit zu beseitigen, war zwei Mal zum verewigten Großher-zog Friedrich Franz I., stets besonders gnädig gegen die Fischländer, und viele viele Male zu der Kriegtur - Com-mißion in Rostock gereiset. Die Beendigung dieser meiner Angele-genheit in dieser Weise, ist eine der wichtigsten Organisationen meiner Dienstzeit gewesen, daß

  2. ich es war, der es glücklich erreichte , daß bei der Organisation des neuesten Rekrutierungs-Modus, die zum Militair ausgelooseten Matrosen, nicht ins Militair genommen, beurlaubt wurden und zur See gehen konnten. Dies durchzusetzen war nicht leicht, es gelang mir jedoch nach vielen Bemühungen glücklich, und

  3. erhielt ich das Commissarium allein, von der Landesregierung die Küstenbewachung der Cho-lera wegen, an der Ostsee bei Fischland anzuwenden und zu überwachen, und verursachte mir die Ausrichtung dieses hohen Auftrages viel Arbeit, viele Sorgen, führte alles glücklich durch. Durch alle diese vorgedachten mir auferlegten und von mir ausgeführten Geschäfte, die das Fischland ausschließlich betrafen, habe ich für dasselbe und dessen Bewohner, großes Interesse und große Zuneigung gewonnen und ist sie erhalten, wenn gleich ich seit einem Vierteljahrhundert von dort entfernt gewesen bin. Ich habe 40 Jahre gedient, und habe in dieser langen, langen Zeit niemals Urlaub gehabt bin nie aus den Sielen gewesen, kann nicht leicht einer dasselbe von sich sagen. Vor 10 Jahren nahm ich, sehr matt und angegriffen, meinen Abschied, bin hierher nach Doberan gegangen, bin wie neugeboren, sehr rüstig und kräftig wieder geworden, wenngleich ich doch auch schon 73 Jahre zähle, die man mir nie ge-ben will. Es ist mein größter Wunsch und meine Absicht Fischland noch einmal zu besuchen und führe sie, so Gott! will, noch aus, vielleicht in diesem Sommer und werde mich herzlich freuen die wieder zu sehen, die aus meiner dortigen Dienstzeit her, noch am Leben sind, be-sonders erfreut sein, Sie meine beiden Herren wiederzusehen und vorzufinden. Haben Sie nun die Güte, den Humpen in Ihre Obhut und Verwahrsam zu nehmen und vor Beschädigung möglichst zu schützen, rufen Sie nach dessen Eingang die dortigen Schiffer geneigst zusam-men, übergeben Sie denselben das Anschreiben an Dieselben auch für Sie mitbestimmt, die demselben anliegende von mir gewünschte Bestimmung, und votifizieren Sie dies mein Ge-schenk den Schiffskapitainen zu Althagen, Dierhagen und Daendorf, denen dasselbe ja allen gewidmet ist, zeigen Sie denselben den Krystall-Humpen, geben Sie denselben mein anliegen-des Anschreiben und die dabey befindlichen Bestimmungen zur Durchsicht, und nehmen Sie dann immer alles in Ihren Verwahrsam zurück. Anliegend lege ich Ihnen eine Anweisung bey, wie das Auspacken des Humpens zu vollführen ist und sehe einer baldigen geneigten Nachricht entgegen, daß der Humpen glücklich und wohlbehalten dort angelangt ist.

Leben Sie wohl meine hochgeschätzten
Herren, und gedenken Sie meiner,
Dies wünscht u. hierum bittet,
Ihr


vieljähriger und dannochaufrichtiger Freund.F. W. v. Lowtzow

Doberan
d 2 t Februar
1859


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Quelle:
Übertragen aus dem in Sütterlin geschriebene Originaltext von Jochen Permien, Hamburg 1997. Die Übertragung ergänzt und geschrieben von Herrn Günther Weihmann, Wustrow 1998.