Hertha | Vereinigung der Kapitäne und Schiffsführer des Fischlandes

Seeunfall der Brigg "Hertha"



  1. dass in der Nacht vom 28./29. August 1879 im Kattegat stattgehabte Kollision der „Hertha“ mit der schwedischen Brigg „Minna“, welche die demnächstige Strandung und den gänzlichen Verlust. des ersteren Schiffes zur Folge hatte, dadurch verursacht ist, dass man von der „Minna“ aus die „Hertha“ zu spät bemerkt hat,

  2. dass weder den Kapitän noch die Mannschaft der „Hertha“ ein Verschulden an diesem Seeunfall trifft.


  1. Die Rostocker Brigg „Hertha“ – MBPN – ist in den Jahren 1848 und 1849 von dem Schiffsbaumeister Zeltz in Rostock für Rechnung des Schiffers D. H. Dade zu Daendorf aus Eichenholz erbaut und im Jahre 1874 in Wismar zu 662,2 cbm oder 233,75 Register-Tons Netto-Raumgehalt vermessen, Kapitän, Dade hat dieselbe von Anfang an bis zuletzt geführt.

  2. Am 23. August 1879 ging die Brigg von, Alloa mit 359 Tonnen Steinkohlen nach Rostock in See. Die Besatzung bestand aus Kapitän Dade, dem Steuermann Johann Range, dem Zimmermann A. Kratius, dem Koch Conrad, den Matrosen J. Moritz, G. Schroeder und J. Paap, dem Jungmaat K. Franck und dem Jungen Strübing. Der Verlauf der Reise ist von der Mannschaft bei ihrer Vernehmung vor dem Seeamt in Uebereinstimmung mit ihren Angaben zum Verklarungsprotokoll folgendermaassen dargestellt.

    Bei gutem Wetter und westlichem Winde passirte das Schiff am 28. August, Morgens, Skagen und Abends 11 Uhr wurde Anholt­Feuerschiff bei etwa vier Meilen Abstand in West gepeilt. Um Mitternacht bezog der Steuermann mit dem Zimmermann, dem Matrosen Schroeder und dem Jungmann Franck die Wache. Der Wind wehte damals sturmartig aus WSW, die See ging hoch. Die Luft war jedoch rein und feuersichtig, der Himmel sternklar und nur in der Kimm (am Horizont) Gewölk sichtbar. Die Brigg lag mit S½W-Kurs am Winde, hatte ziemlich viele Segel bei und lief fünf Seemeilen in der Stunde. Kratius und Franck standen vorn in Lee zum Ausguck, der Matrose Schroeder am Ruder. Beide Seitenlaternen brannten hell. Gleich nach 2 Uhr wurde der Wind noch heftiger, so dass der Steuermann beide Marssegel fallen liess und gleich darauf Fockschote und Fockhals brachen.

    Nun kam auch Kapitän Dade an Deck. Derselbe hatte befohlen, noch mehr Segel wegzunehmen und die Leute in der Koje zu wecken, als plötzlich vier Strich an Backbord voraus ein grünes Licht an auftauchte, welches sich schnell der Brigg näherte. Steuermann Range schätzte die Entfernung beider Schiffe in dem Moment, wo dasselbe zuerst gesehen wurde, auf 1 Seemeile.

    Kapitän Dade hielt, obgleich das fremde Schiff gerade auf die Brigg zukam, seinen Kurs fest und erst zuletzt, als dasselbe bereits bis auf zwei Schiffslängen nahe war, liess er das Ruder Backbord legen, worauf die „Hertha“ noch etwa ein Strich in den Wind lief. Dann erfolgte die Kollision. Das fremde Schiff, welches sich später als die schwedische Brigg „Minna“, Kapitän Petersen, auswies, traf die „Hertha“ am Backbord-Bug beim Krahnbalken, drückte sie ganz in den Wind, und kam sodann Seite an Seite mit ihr zu liegen. Inzwischen waren auf letzterem Schiffe sämmtliche Leute aus der Koje an Deck gekommen und Kapitän Dade, welcher der Meinung war die „Hertha“ müsse sinken, obwohl weder die Pumpen gepeilt worden, noch im Raum nach einem Leck geforscht war und die Brigg sich nicht tiefer gelegt hatte, befahl seine Mannschaft, auf das fremde Schiff über zu klettern.

    Seiner Aufforderung folgend liefen alle nach vorn; da aber in diesem Augenblick die Schiffe sich mit den Köpfen von einander entfernten, so eilte die Mannschaft nach hinten und versuchte von dort aus an Bord des schwedischen Schiffes zu kommen, was auch allen bis auf den Jungen Strübing gelang, welcher später vermisst ward und somit beim Ueberspringen in das Wasser gefallen und ertrunken sein wird. Der Kapitän aber versuchte vorn den Sprung, fiel dabei indess, wie der Koch Conrad gesehen, ebenfalls in das Wasser und ist auch Opfer der Wellen geworden. Von Bord der „Minna“ aus wurde den Verunglückten sofort, jedoch vergeblich, ein Tauende zugeworfen, auf weitere Rettungsversuche musste aber bei Dunkelheit und der hoch gehenden See verzichtet werden.

    Nach etwa 5 Minuten kamen beide Schiffe von einander frei und trieben längere Zeit, da die „Minna“, welche das Bugspriet verloren und grosse Beschädigungen an Segeln und Takelage erlitten hatte, nicht recht steuern wollte, neben einander her. Am andern Tage steigerte sich der Wind zum Sturm und verweigerte daher Kapitän Petersen von der „Minna“ der Mannschaft der „Hertha“sein Boot, mit welchem diese zu ihrem noch immer neben ihnen treibenden Schiffe hinüber fahren wollte, um ihre Effekten zu retten. Um 6 Uhr Abends sah man von der „Minna“ aus die „Hertha“ unweit Falkenberg an der schwedischen Küste stranden. Gleich darauf wurde die Mannschaft derselben von einem Lootsenboote aufgenommen und an das Land befördert. Zur Bergung der „Hertha“, welche kaum eine halbe Meile vom Ufer entfernt auf der Seite lag, konnte des hohen Seeganges halber nichts geschehen. Die Mannschaft kehrte daher, nachdem sie am 3. September vor dem Rathhausgericht zu Falkenberg Verklarung abgelegt, auf 0rdre des Korrespondent-Rheders in die Heimath zurück.


  3. Bei ihrer Verklarung zum Protokoll des Rathhausgerichts zu Malmö vom 3. September 1879, haben Kapitän und Mannschaft der Brigg „Minna“ über den in Rede stehenden Seeunfall die nachstehenden Angaben gemacht.

    Die „Minna“ habe sich am 29. August 1879, Abends, auf der Reise von Oporto nach Stockholm im Kattegat befunden, Nachts 12 Uhr, nachdem Killians- Feuer SzW, in 16 Seemeilen Abstand gepeilt worden, habe man den Kurs zum N. u. W. genommen. Der Wind, habe aus WSW geweht, die See sei hoch gewesen, beide Seitenlaternen hätten gebrannt. Gegen 2½ Uhr Morgens sei plötzlich dicht am Steuerbord-Bug ein rothes Licht aufgetaucht. Vergeblich hätten sie dem fremden Schifte zugerufen, es möge abhalten, hätten dann selbst versucht, über Stag zu gehen, allein ihre Brigg habe nicht stagen wollen und unmittelbar darauf sei der Zusammenstoss erfolgt, wobei die „Minna“ das andere Schiff mit dem Steuerbord-Bug vor den Fockwanten getroffen und ihrerseits Klüverbaum, Bugspriet, blinde Raa und Gallion verloren habe. Beide Schiffe seien nun längsseits zu liegen gekommen und 7 Mann von der Besatzung des fremden, der Brigg „Hertha“, zu ihnen hinüber gesprungen. Davon, dass der Kapitän und der Junge verunglückt, hätten sie erst durch die übergesprungenen Leute gehört. Ein Boot zu ihrer Rettung auszusetzen, sei jedoch bei der Finsterniss und der hohen See unmöglich gewesen.

    Als die Schiffe auseinander gekommen, sei gleich darauf der Fockmast der „Minna“ gebrochen. Der Wind sei Tags über zum Orkan gewachsen und gegen 5 Uhr Nachmittags der 'Fockmast gestürzt. Um 6 Uhr Abends sei die „Minna“ zu Anker gegangen und habe demnächtst ein Falkenberger Lootsenboot die Mannschaft der »Hertha« aufgenommen.

    Hätte die „Minna“ abgehalten, so würde sie die „Hertha“ voraussichtlich mittschiffs getroffen und stark beschädigt haben, während die letztere so anscheinend nicht, erheblich beschädigt gewesen sei. Wenigstens sei sie den ganzen Tag nach der Kollision in Sicht geblieben und auf Falkenberg zugetrieben. Wäre die „Hertha“ über Stag gegangen, so würde der Zusammenstoss wahrscheinlich vermieden worden sein und wäre di Besatzung derselben an Bord geblieben, so wäre ihr Schiff nicht verloren gegangen. Ein Versuch zur Bergung desslben sei in Anbetracht des schlechten Wetters ganz unmöglich gewesen.

  4. Durch den Abtheilungs-Chef der Lootsen-Station zu Gothenburg ist bezeugt worden, dass die „Hertha“ am 29. August, Abends 7½ Uhr, auf einem Riff ausserhalb der Rhede von Falkenberg gestrandet ist und dass damals ein harter Sturm aus WSW mit heftigen Schauern geweht hat.

  5. Die Hertha“ ist, wie endlich aus einem zu den Akten des Seeamtes gekommenen Schreiben des Herrn J. H. Heden in Falkenberg vom 8. Oktober 1879 hervorgeht, und der Korrespondent­Rheder des Schiffes bestätigt hat, nach der Strandung von der See gänzlich zertrümmert und nur ein Theil der Takelage, Rundhölzer, Anker und Ketten geborgen worden, während man von Bergung des Wracks und der Ladung hat Abstand nehmen müssen.

  6. Anlangend nun die Beurtheilung des vorliegenden Seeunfalles, so ist

    • Die Ursache desselben darin zu finden, dass man von der „Minna“ aus die „Hertha“ zu spät und erst dann bemerkte, als ein Ausweichen nicht mehr möglich war. Nach Artikel 12 der Kaiserlichen Verordnung zur Verhütung des Zusammenstossens der Schilfe auf See vom 23. Dezember 1871 musste die „Minna“, weil sie den Wind von Backbord hatte, der „Hertha“, welche ihn von Steuerbord hatte, aus dem Wege gehen und Kapitän Dade handelte den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der Vorschrift der Artikel 18 und 19 der genannten Verordnung vollkommen gemäss, wenn er seinen Kurs festhielt und sein Schiff erst dann in den Wind schiessen liess, als die unmittelbare Gefahr des Zusammenstossens eingetreten war. Auch das Verfahren des Kapitäns Petersen, welcher mit der „Minna“ ebenfalls zu stagen versuchte, kann nur als ein der Sachlage angemessenes bezeichnet werden. Denn da sich beide Schiffe bereits ganz nahe waren, als man auf der Minna“ die „Hertha“ bemerkte, würde die erstere, wenn sie nach Steuerbord abgefallen wäre, mit Nothwendigkeit die letztere mittschiffs getroffen und ihr eine erheblich grössere Beschädigung verursacht haben.

    • Wie es gekommen, dass man auf der „Minna“ die „Hertha“ erst so spät bemerkte, hat durch die Untersuchung nicht aufgeklärt werden können. Dass auf der „Hertha“ die Seitenlichter hell brannten, steht nach den beeidigten Aussagen der Mannschaft derselben fest, und so kann nur angenommen werden, dass man auf der „Minna“, mit dem Bergen der Segel beschäftigt, keinen Mann auf dem Ausguck hatte, und deshalb das rothe Licht der „Hertha“ übersah. Jedenfalls ist weder dem Kapitän noch der Mannschaft des letzteren Schiffes in dieser Beziehung ein Verschulden beizumessen.

    • Dass die „Hertha“ durch die Kollision keine erhebliche Verletzungen erlitten hatte und insbesondere nicht leck geworden war, geht schon aus dem Umstande hervor, dass dieselbe nicht sank, sondern fast 17 Stunden lang neben der „Minna“ hertrieb, bis sie am Abend des 29. August bei Falkenberg strandete. Es darf daher für unzweifelhaft erachtet werden, dass, es, gelungen sein würde, sie zu bergen, wenn die Besatzung anstatt auf die „Minna“ überzuspringen, an Bord ihres Schiffes geblieben wäre.

      Das Seeamt will indess daraus, dass letzteres nicht geschah, niemandem von der Besatzung einen Vorwurf machen; dem das sofortige Verlassen der Brigg anordnenden Kapitän nicht, weil derselbe sich über die Gründe, welche ihn zu seiner Handlungsweise bestimmten, nicht hat aussprechen können und deshalb von ihm, der als erfahrener und umsichtiger Schiffer bekannt war, angenommen werden muss, dass er in einem entschuldbaren Irrthume befangen, von der Nothwendigkeit, derselben überzeug war; der Mannschaft nicht, weil sie nur ihre Pflicht that, wenn sie den Anordnungen ihres Kapitäns Folge leistete. Daneben zu erwägen, dass, wenn die Schiffe erst wieder von einander frei gekommen wären und sich nun nachher ein schwerer Leck auf der „Hertha“ herausgestellt und das Verlassen derselben vernothwendigt hätte, alsdann die Rettung der Besatzung mitteIst der eignen Boote bei dem schweren Wetter nahezu unmöglich gewesen wäre.

    • Es bedarf keiner weiteren Ausführung, dass der beklagenswerthe Tod des Kapitäns Dada und des Schiffsjungen Strübing lediglich als Unglücksfall zu bezeichnen ist. Sie stürzten beim Ueberspringen in das Wasser, geriethen zwischen beide Schiffe und sind wahrscheinlich von ihnen zerdrückt worden, ehe sie noch Hülferufe ausstossen konnten. Rettungsversuche mussten aber bei der Dunkelheit der Nacht und der hochgehenden See, welche das Aussetzen eines Bootes nicht gestattete, von vorn herein als völlig aussichtslos erscheinen und so ist es nicht zu tadeln, wenn sie auf das Auswerfen von Tauenden beschränkt blieben.

    • Das Verhalten der Mannschaft der „Hertha“ endlich, nachdem, dieselbe an, Bord der „Minna“ gegangen war, giebt zu keinen Ausstellungen Anlass. Als sich herausstellte, dass ihr Schiff nicht oder doch nicht schwer leck geworden, wollte sie auf dasselbe zurückkehren, musste jedoch hiervon abstehen, weil Kapitän Petersen ihr sein Boot nicht anvertrauen wollte. Demnächst an das Land gesetzt, hat der Steuermann Range sofort seinen Korrespondent·Rheder von dem Unfalle benachrichtigt und mit der übrigen Mannschaft Verklarung abgelegt und alle haben die inmittelst bei Falkenberg an den Strand getriebene Brigg erst dann verlassen, als sie von dem Korrespondent-Rhede in die Heimath zurückberufen waren.



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